Pacing als Schlüssel bei ME/CFS & Post-COVID – Erkenntnisse aus neuer PNAS-Studie

Studie zu ME/CFS und Post-COVID: Was hilft wirklich – und welche Rolle spielt Pacing?

Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) und Long-COVID bzw. Post-COVID sind beides schwerwiegende, mehrfach belastende Erkrankungen, die bislang über keine zugelassenen, wirkungsvollen medizinischen Therapien verfügen. Eine aktuelle, groß angelegte Studie von Eckey, Pi et. al mit knapp 4.000 Betroffenen hat untersucht, welche Behandlungsstrategien aus Patientensicht tatsächlich helfen, und analysiert dabei insbesondere auch nicht-medikamentöse Ansätze wie das sogenannte Pacing.

Worum ging es in der Studie?

Die Studie fasste die Erfahrungen von 3.925 Betroffenen zusammen – sowohl mit ME/CFS (2.125 Personen) als auch mit Post-COVID (1.800 Personen). Befragt wurden sie zur Wirksamkeit von über 150 unterschiedlichen Behandlungen, darunter Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel und nicht-medikamentöse Strategien. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, welche Behandlung welchen Symptomen hilft und wie Patientengruppen von bestimmten Ansätzen profitieren.

Zentrale Ergebnisse auf einen Blick

  • Die Symptome und Behandlungserfahrungen von Menschen mit ME/CFS und Post-COVID überschneiden sich stark. Hauptsymptome sind Fatigue, Post-Exertional Malaise (PEM, Zustandsverschlechterung nach Belastung), „Brain Fog“, nicht-erholsamer Schlaf und orthostatische Intoleranz (z.B. Herzrasen im Stehen).

  • Es existiert keine „Wundertherapie“, aber einige Behandlungsstrategien zeigen im Patientenerleben deutliche Vorteile.

  • Besonders Pacing – also die bewusste Energieeinteilung und das Vermeiden von Überlastung – sticht als die Maßnahmen mit den besten Bewertungen hervor: 75,2% aller Patienten gaben an, dass Pacing ihre Gesamtsituation verbessert hat. Für viele half Pacing besonders bei typischen Kernsymptomen wie Fatigue (82,7% der Patienten berichteten Besserung), PEM (62,6%) und „Brain Fog“ (71,2%).

  • Auch Flüssigkeitszufuhr/Elektrolyte, Kompressionsstrümpfe, Immunglobulintherapien und bestimmte Medikamente wie Low-Dose Naltrexon oder Beta-Blocker wurden als hilfreich bewertet – allerdings meist in spezifischen Untergruppen der Patient*innen.

  • Graded Exercise Therapy (GET), also ein Aufbauprogramm für körperliche Belastung, wurde überwiegend als schädlich erlebt (Netto-Effekt −72,2 %) und sollte nach aktuellem Wissenstand gemieden werden.

Fokus Pacing: Was ist das und warum wirkt es?

Pacing bezeichnet die konsequente Abstimmung von Aktivitäten auf das individuelle Energielevel. Menschen mit ME/CFS oder Post-COVID lernen, ihre Belastungsmöglichkeiten realistisch einzuschätzen, Aktivitäts- und Ruhephasen zu planen und dabei Warnzeichen eines „Crashs“ frühzeitig zu erkennen. So gelingt es, schwerwiegende Rückschritte (PEM) zu vermeiden, die Krankheit besser zu managen und damit auch die Lebensqualität im Alltag spürbar zu verbessern.

Die Studie zeigt eindrucksvoll: Pacing wirkt für nahezu alle Betroffenen symptomübergreifend positiv, unabhängig vom individuellen Symptomprofil. Ob milde oder schwere Krankheitsverläufe, Pacing wurde durchgängig als hilfreich bewertet und belegt damit seinen zentralen Stellenwert im Umgang mit ME/CFS und Long-COVID bzw. Post-COVID.

Individualität zählt

Neben der generellen Empfehlung zu Pacing betonen die Studienautoren die enorme Heterogenität der Erkrankungen: Die besten Erfolge erzielen Betroffene häufig, wenn die Behandlung individuell auf das eigene Symptomprofil abgestimmt ist. Einige Subgruppen, z.B. mit starker Kreislaufbeteiligung (POTS), profitieren laut Studie besonders von bestimmen Medikamenten oder nicht-medikamentösen Maßnahmen – doch Pacing bleibt von allen betrachteten Ansätzen der am breitesten wirksame Baustein.

Fazit und Ausblick

Patientenberichte aus dieser großen Studie bieten unmittelbare, alltagsnahe Erkenntnisse und zeigen: Pacing ist aus Sicht der Betroffenen das wichtigste und hilfreichste Werkzeug im Umgang mit ME/CFS und Post-COVID. Gerade weil medikamentöse Therapien oft nur punktuell helfen und individuell abgestimmt werden müssen, bildet Pacing die Grundlage einer erfolgreichen Selbsthilfe.

Praktische Hilfe: die blue-ME Pacing App

Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse gewinnt die strukturierte Erfassung von Belastung, Erholung und deren Wechselwirkungen an Bedeutung. Die Pacing-App blue-ME verbindet diese Erkenntnisse mit praktischer Nutzung: Sie dokumentiert Aktivitäten und Symptome, macht Muster sichtbar, hilft bei der Abstimmung von Ruhe und Belastung und erlaubt so, die im Patient:innenfeedback der Studie implizite Logik von Pacing datenbasiert zu verfolgen.

Quelle:
Eckey M., Li P., Morrison B. et al. „Patient-reported treatment outcomes in ME/CFS and Long COVID.“ Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 2025. DOI: 10.1073/pnas.2426874122.