Schweregrade bei ME/CFS

Schweregrade bei ME/CFS

Die Schwere von ME/CFS wird in mild, moderat, schwer und sehr schwer unterschieden. Diese Kategorien sind nicht immer klar trennbar und können sich im Laufe der Erkrankung verändern. Zudem können einzelne Betroffene eine Mischung aus Symptomen unterschiedlicher Schweregrade erleben. Die folgende Beschreibung der Schweregrade orientiert sich an der britischen NICE-Leitlinie, die auch in der deutschen DEGAM-Leitlinie Müdigkeit und dem Bericht des IQWiG zu ME/CFS Erwähnung findet.

Mildes ME/CFS:

Betroffene erleben eine deutliche Einschränkung im Vergleich zu ihrem früheren Leistungsniveau. Sie können ihren Alltag zwar weitgehend selbstständig bewältigen, benötigen aber möglicherweise Unterstützung im Haushalt. Oft ist es ihnen noch möglich, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen oder eine Ausbildung zu absolvieren, allerdings müssen sie dafür ihre Freizeitaktivitäten stark einschränken, ihre Arbeitszeiten reduzieren und konsequent auf Erholung achten.

Moderates ME/CFS:

Menschen mit mittelschwerem ME/CFS sind in ihrer Mobilität und Fähigkeit, alltägliche Aufgaben zu erledigen, erheblich eingeschränkt. Sie sind in der Regel gezwungen, ihre berufliche Tätigkeit oder Ausbildung aufzugeben. Typisch sind Schwankungen im Krankheitsverlauf. Das reduzierte Funktionsniveau erfordert eine sorgfältige Planung der verbleibenden Aktivitäten und das Einlegen umfangreicher Ruhepausen. Außerhaustermine, wie Einkäufe oder Arztbesuche, führen in der Regel zu einer (vorübergehenden) Verschlechterung ihres Gesundheitszustands (Post-Exertionelle Malaise).

Schweres ME/CFS:

Etwa ein Viertel der ME/CFS-Patient*innen ist schwer oder sehr schwer betroffen. In diesem Stadium können Betroffene oft nur noch minimale Aufgaben wie das Waschen des Gesichts oder Zähneputzen selbstständig durchführen. Viele alltägliche Verrichtungen (wie Kochen, Duschen, Putzen) sind ohne eine nachfolgende Verschlechterung (PEM) nicht mehr möglich. Sie leiden unter gravierenden kognitiven und orthostatischen Problemen und sind meist auf einen Rollstuhl angewiesen. Ihr Leben spielt sich größtenteils im Haus oder im Bett ab, oft begleitet von einer starken Empfindlichkeit gegenüber Licht und Geräuschen.

Sehr schweres ME/CFS:

In diesem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung sind Betroffene vollständig auf die Hilfe anderer angewiesen und dauerhaft ans Bett gebunden. Sie benötigen Unterstützung bei der persönlichen Hygiene und der Nahrungsaufnahme. Eine extreme Empfindlichkeit gegenüber sensorischen Reizen (Licht, Geräusche, Gerüche) ist kennzeichnend, und viele Betroffene können kaum noch oder gar nicht mehr sprechen. In einigen Fällen ist eine Ernährung über eine Sonde notwendig.

 (vgl. https://www.mecfs.de/was-ist-me-cfs/)

Bell-Score

Auch der sogenannte Bell-Score kann zur Einschätzung des Schweregrades herangezogen werden. Die Bell-Skala ist ein Punktesystem, das Betroffenen hilft, den Grad ihrer Beeinträchtigungen durch ME/CFS einzuschätzen.

Entwickelt wurde sie von dem US-amerikanischen ME/CFS-Experten David S. Bell speziell für diese Erkrankung. Die Skala beschreibt verschiedene Schweregrade von ME/CFS anhand der Symptomstärke und des Aktivitätsniveaus. Sie reicht von 100 Punkten (gesund) in Zehnerschritten bis zu 0 Punkten (völlige Pflegebedürftigkeit).

Die Bell-Skala wird international in der Diagnostik und Forschung verwendet, um die Schwere von ME/CFS zu beurteilen.

FUNCAP

Der FUNCAP (Functional Capacity Scale) ist ein Instrument, das speziell für die Beurteilung der funktionellen Leistungsfähigkeit von Menschen mit ME entwickelt wurde. Ziel ist es, die individuellen Einschränkungen im Alltag systematisch zu erfassen und den Schweregrad der Erkrankung differenzierter und präziser als bisherige Skalen abzubilden.

Der FUNCAP eignet sich sowohl für die klinische Diagnostik als auch zur Verlaufskontrolle im Krankheitsverlauf und als Grundlage für sozialmedizinische Einschätzungen.

Aufgebaut ist der FUNCAP in mehrere Funktionsbereiche, die unterschiedliche Aspekte des Alltagslebens abbilden, darunter körperliche Aktivität, geistige Belastbarkeit, soziale Teilhabe, Selbstversorgung und Haushaltsführung. Betroffene schätzen für jeden Bereich ein, wie stark ihre Einschränkungen aktuell ausgeprägt sind. Aus den Einzelwerten wird ein Gesamtwert berechnet, der den Schweregrad der Erkrankung widerspiegelt.

Die Langversion (FUNCAP55) eignet sich für die initiale Diagnosestellung, während die Kurzversion (FUNCAP27) für regelmäßige Verlaufskontrollen konzipiert ist.

Einordnung der Ergebnisse

Die Schweizerische Gesellschaft für ME & CFS (SGME) hat auf Basis der FUNCAP-Auswertung eine Skala entwickelt, mit der sich der Schweregrad anhand des FUNCAP-Scores systematisch einordnen lässt. Diese Einteilung basiert auf den Ergebnissen einer Befragung von 1.263 Patient:innen und 178 gesunden Personen (vgl. Sommerfeldt et al., 2024).

Wichtige Grundlage:
Diese Einteilung erfolgt auf Basis des FUNCAP-Durchschnittswerts einer Person (der Mittelwert der 55 oder 27 Antworten) und berücksichtigt dabei die durchschnittlichen Werte plus/minus eine Standardabweichung, die aus der genannten Stichprobe errechnet wurde.

Die Schweregrade lassen sich grob wie folgt einteilen (die Übergänge können können fließend sein):

SchweregradFUNCAP-ScoreBeschreibung
schwerst0 – 1,1Vollständig bettlägerig und pflegebedürftig
schwer0,9 – 2,5Überwiegend bettlägerig
moderat2,5 – 4,0Überwiegend an das Haus gebunden
mild3,5 – 4,8Mindestens 50 % Aktivitätsverlust
> mild4,8 – 5,2Weniger als 50 % Aktivitätsverlust
gesund5,6 – 6,0Normale Belastbarkeit

 

(vgl. https://sgme.ch/funcap)